....lernen mit bild, ton und text.....

Präsentation der zentralen Lernschritte ist der zweite Hauptpfeiler des Projekts "Medienintegrierter Deutschunterricht. Eigenständig lernen mit Bild, Ton und Text". In folgender Darlegung möchte ich die medienspezifische Argumentation vorerst noch zurückstelllen zugunsten einer unorthodo-pragmatischen Darstellung mit Beispielen von überraschend aussagekräftigen Schülerarbeiten. Diese demonstrieren, wie Bild und Text einander gegenseitig stützen und bedingen. Fragwürdig bleibt dabei allerdings die folgende, auf wenige Beispiele verkürzte schriftliche Darstellung all der vielfältigen, oft höchst kreativen Entdeckungen und Lösungen nur schon im Vergleich mit der schon viel angemesseneren Präsentation im Kongress-Treffpunkt 19 vom 3. 10. 96, wo sich mit Tonband, Dias und Videofilmen die kreativ-kognitiven Leistungen greifbarer fokussieren liessen. Dennoch dürften auch in der Beschränkung auf "zeichnungen" wesentliche Grundzüge einer von diesem Modell favorisierten Wandlung des fachdidaktisch engen Textbegriffs zum bereichsdidaktischen Text als einem Gefüge von Bild, Ton und Sprache sichtbar werden.

Eine erste Funktion lassen Zeichnungen erkennen, die den Text in seinen örtlich/räumlichen Aussagen klären. Eine Zeichnung zum Rilke Gedicht "Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens" setzt z.B. topographische Aussagen um, wie "dort: die letzte Ortschaft der Worte", " und höher(...)noch ein letztes Gehöft von Gefühl"; "hier blüht(...) ein unwissendes Kraut", "da geht wohl heilen Bewusstseins", "der ge-borgene Vogel kreist um der Gipfel reine Ver-weigerung" usw.. Da dient das Zeichnen einer interpretatorischen Veranschaulichung der Bedeutungen in ihren semantischen Über- und Unterordnungen:


Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens
(1914)

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe wie klein dort,
siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,
aber wie klein auch, noch ein letztes
Gehöft von Gefühl. Erkennst dus's?
Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund
unter den Händen. Hier blüht wohl
einiges auf; aus stummem Absturz
blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.
Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann,
und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.
Da geht wohl, heilen Bewusstseins,
manches umher, manches gesicherte Bergtier,
wechselt und weilt. Und der grosse geborgene Vogel
kreist um der Gipfel reine Verweigerung. - Aber
ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens

(Rainer Maria Rilke, 1875-1926)





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Vorsichtig liesse sich dieses Bild/Text-Verhältnis wohl bestimmen lassen mit:

1) lokalisierende Veranschaulichung

Ähnlich macht auch eine Zeichnung zu Goethes Gedicht "Ein Gleiches" vier Ebenen sichtbar und bewusst, wie unter "allen Gipfeln"(der obersten Ebene) in der zweitobersten Ebene der letzte Hauch ausgehaucht, dann in der vorletzten der Vogelsang ausgeblendet und in der letzten der Blick ins Grab geführt wird, Dieses Bild/Text-Verhältnis drint aber spürbar tiefer ins Gedicht ein, spürt Sinnstrukturen auf, indem es sie bildlich ausformuliert:

Ein Gleiches
(1780)

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;

Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832)

2) Sinnfindung durch Ausbilden

 

In einer weiteren Zeichnung nimmt eine Schülerin bei Eichendorffs "Mondnacht" die moderne Sicht einer Satelittenkamera ein und sieht aus dem All zu, wie der Wolkenhimmel sich still zum Kuss der Erde zuneigt und wie die Erde im Blütenschimmer von ihm nun träumt. Damit ist der Schülerin "zeichnend" eine neue, kosmische Deutung geglückt, die man "lesend" kaum je entwickelt; so kann sie selbst den Flug der Seele "als flöge sie nach Haus" eigentümlich klar darstellen. Offensichtlich entwickeln sich solche Zeichnungen rasch über blosse texterläuternde Lesehilfe hinaus; sie ermöglichen eine eigenständig-textgetreue, aber heutig-aktuelle Vorstellung, die nicht minder grossartig ist als die damalige Sicht einer zeitgenössischen Leserin aus dem Gras heraus auf den Kuss der Himmelswolke am Horizont. Diese bildnerische Funktion wächst aus der Lesehilfe heraus und steigt ganz beiläufig auf zu einer zweiten Funktions-Ebene, die man wohl Anverwandlung durch eigene Anschauung nennen müsste.

Mondnacht 1.Strophe (J. v. Eichendorff)
Mondnacht 3.Strphe (J. v. Eichendorff)

 

Mondnacht (1834)

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst.
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

(Joseph von Eichendorff, 1788-1857)

3) Anverwandlung durch eigene Anschauung

Interessant ist auch die Verwendung der Zeichensprache eines andern Codes(Sprechblase der Comics), die von einer weiteren Zeichnerin noch viel freimütiger für Brechts "Pflaumenbaum" benutzt wird. Die analytische Schärfe ihrer im Stil von Kinder-Zeichnungen gehaltenen Bilder wird dabei bei der Original-Präsentation in Form eines Diavortrags weit stärker betont, weil die entsprechenden Zeilen zu den einzelnen Bildern eindringlich vorgelesen und jeweils mit brüskem Gong markiert werden. Man könnte eine solche dritte Funktionsstufe wohl Verstehen durch Übersetzen nennen.

Der Pflaumenbaum
(1934)

Im Hofe steht ein Pflaumenbaum,
Der ist klein, man glaubt es kaum.
Er hat ein Gitter drum,
So tritt ihn keiner um.


Der Kleine kann nicht grösser wer'n,
Ja, grösser wer'n, das möcht er gern.
's ist keine Red davon,
Er hat zu wenig Sonn.


Den Pflaumenbaum glaubt man ihm kaum,
Weil er nie eine Pflaume hat,
Doch er ist ein Pflaumenbaum,
Man kennt es an dem Blatt.


(Bertolt Brecht, 1898-1956)

weitere Beispiele durch Klicken auf Bild

4) Verstehen durch Übersetzen

Am weitesten aber gehen wohl Bilder, die die gedankliche Abstraktion der Gedichte in szenische Wahrheit über- und gleichzeitig weit über den Text hinausführen, wie eben nur Bilder solchen sprachlichen Gebilden oder Prophetien Raum geben können, so im nebenstrehenden Gedicht "Arche Noah I" von Claudia Storz: "Aussteigen. Ein leeres Land - ein neuer Pfad" (she. hochformatiges Schlussbild). Es fällt nicht leicht, diese Funk-tion autonomenNachschaffens noch von unabhängigem Neuschaffen zu trennen; dennoch ist sie das Resultat produktiver Auseinandersetzung, zumal die Schülerin ihre Bilder mit Hilfe eines analytischen Plans konzipiert hatte:

 

A rche Noah I

Ich weiss nicht
wer mich ausgewählt hat
für diese Arche Noah.
Ich weiss nur
es wird heissen: Aussteigen.
Ein leeres Land -
Ein neuer Pfad.

(Claudia Storz, geb. 1948)

weitere Beispiele durch Klicken auf Bild................................ 5) autonomes Nachschaffen

 

Schwieriger wird diese Frage nach den kognitiven Leistungen bildnerisch-tonlicher Gestaltung aber bei szenischen Lösungen und bei Videokreationen. Ausdrücklich verlangt wird ein bestimmtes Medium in all den acht Semester-projekten nur ein einziges Mal, und zwar für den Video-Lehrfilm zum Thema "Eigenständiges Lernen"(4. Semester). Mit dem Beschrieb eines einzigen Beispiels einer Video-Installation muss ich es hier bewenden lassen. Das Gedicht "Alle Tage" von Ingeborg Bachmann wurde als szenisches Arrangement (Präsentation zur Phase II des Lyrikprogramms) erarbeitet, indem Bilder mit erläuternder Funktion(Laufbildzitate aus Hitlerfilmen geben die historisch Situierung) per Overhead links auf den schwarzen Vorhang projiziert werden, während ein Beamer eigene Laufbilder als auslegende Einblendungen(zu Beginn Laufbild-Kämpfe aus Computer-Spielen und gegen Ende heitere Kinder-Spielszenen auf Langholzschaukel) in die Mitte der Bühnenwand wirft; rechts aussen rezitiert ein Sprecher zu zu gebet-hafter Musik den Originaltext nüchtern, aber sehr langsam bei Kerzenlicht. Ich erwähne dies so ausführlich, weil solche Bildlogik alle Züge von kognitiver Kreativität aufweist. Diese szenische Präsentation wurde schliesslich (Phase III) als Endprodukt mit analoger Logik videographiert, wobei der Text zur selben gebetartigen Musik schreibmaschinenhaft eingetippt und immer wieder mit der Kerzenflamme überblendet wird; der Videoclip mündet in das herangezoomte Bild der Hoffnungs-Kerze auf der Spitze eines Aus-sichtsturms in eniem Aarauer Kinderspielplatz.

 

Zwar ist gerade bei Video-Produktionen die Tendenz Richtung illustrativ-platter Abbildung von Textinhalten, in auffälligem Unterschied zu bildnerischen Umsetzungen, eher häufig; vielleicht hängt dies mit der bisher eher rudimentären medienpädagogischen Ausrichtung der Schule zusammen. Aber merkwürdig undiffe-renziert sind bisher fast alle tonlichen Produktionen ausgefallen, obwohl es seit langem schulmusikalische Erziehung gibt. Der Unterschied zwischen bildnerischer und musikalischer Usanz basiert vielleicht auf gesamtkulturellen Differenzen: zeichnen und malen glaubt jedermann zu können, Musik aber wird in sündhaft teuren Videoclips und mit perfektesten HiFi/Stereoanlagen reproduziert.

Die reichste Vielfalt von Präsentations-Formen und didaktischen Einfällen ist hingegen im szenischen Bereich (Darstellendes Spiel) zu finden. Da reicht die Palette von Mitspiel-Theater (z.B. zur Vergegenwärtigung der Osterspielentwicklung von Ostersequenz über Osterfeier zum breitangelegten Osterspiel), über inszenierte Museumsführungen (für Max Frischs "Stiller"), Postenläufe (mit Rollenspielen zum Thema Körpersprache) und Brettspiele (Ratgeben und sich beraten lassen) bis zum dokumentarischen Theater (Nestroy kommentiert aus dem Jenseits die Schüler-Aufführung der "früheren Verhältnisse"). Und völlig selbst-verständlich werden auch Beiträge für das Internet oder CD-Brenner konzipiert und entwickelt.

Die bisherigen Ausführungen belegen eine, wenn überhaupt, allzu simple Untersuchungsform: registriert, beschrieben und ein bisscxhen geordnet wurden unsystematisch ausgewählte Semesterprojekte verschiedener Klassen ohne jeden Versuch zu Quantifizierung. Bestenfalls habe ich aber dennoch sichtbar machen können, dass sich eine zuverlässigere Auswertung dieses zentralen Interessenbereichs intermedialer Didaktik durch einen praxisorentierte Forschung durch eine Pädagogische Hochschule lohnen könnte.

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Stand: 6. 12. 05
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